Verlaine, Van Gogh, Degas, Gauguin und Rimbaud – sie alle hatten eine gemeinsame Leidenschaft: sie liebten Absinth. Das Kultgetränk der Künstler der belle époque.
Man liebte ihn. Man hasste ihn.
Man trank ihn. Man erbrach ihn.
Er inspirierte und stimulierte und raubte einem den Verstand.
Unser Stargast Wermut (Artemisia absinthium) ist Bestandteil des Absinth, eines alkoholischen Kult-Getränks des 19.Jahrhunderts mit Auszügen von Wermut, Fenchel, Anis und Melisse. Aufgrund des Thujongehalts und der gesundheitsschädigenden Wirkung (bei Überdosierung) war Absinth zeitweise in vielen europäischen Ländern verboten, da der übermäßige Genuss schwerwiegende gesundheitliche Beschwerden nach sich zog. Der Absinth, der heutzutage erhältlich ist, hat sicherlich eine andere Rezeptur wie der damalige. Aber von Alkohol kann ich euch nicht wirklich Fundiertes berichten 😉
Ich liebe die Gattung der Artemisien sehr, ob nun die "Artemisia vulgaris", der gewöhnliche Beifuß vor der Haustüre. Die "Artemisia abrotanum" (Eberraute) oder eben die "Artemisia absinthium" (Wermut) - sie sind mir alle sehr wertvoll. Im Land meiner Ahnen habe ich eine weitere ganz besondere Artemisia Art für mich entdeckt, wahrscheinlich die "Artemisia alba". Und auf dem Kräuterboschen Seminar im Sommer diesen Jahres hatte eine Teilnehmerin einen Kamtschatka Beifuß ("Artemisia verlotiorum") dabei, herrlich!!! Mir schwebt so vor hier im Friedensgarten einige Ecken exklusiv den Artemisien zu widmen, auch weil sie mit lang andauernder Trockenheit extrem gut umgehen können. Meine kleine Eberraute hier hat allerdings sehr gelitten, da sie sehr zugewuchert wurde. Der Wermut jedoch lässt sich nicht einmal von den penetranten Akazien niederknüppeln, er gehört zu den ersten Heilpflanzen, die ich hier gepflanzt habe. Die "Artemisia vulgaris" hatet bereits vor der Haustüre auf mich gewartet, die Schöne.
Aber lasst uns weiter mit dem wunderbaren Wermut auf Reise gehen...
In Griechenland war der Wermut der Göttin Artemis geweiht, in Ägypten der Göttin Bastet. Pflanzen mit einem Bezug zu weiblichen Göttinnen im Namen haben in der Regel einen besonderen Platz in der Frauenheilkunde.
Interessant finde ich auch, dass man früher Wermut der Schreibtinte hinzufügte, um Mäusefraß vorzubeugen.
Auch als Schutz vor Dämonen wurde er magisch eingesetzt, wen wundert's bei dieser mächtigen Erscheinung. Gerade in der Räucherkunde wende ich ihn am liebsten als "Schutzpflanze" an, immer wenn es um die Themenfelder Stärkung, Schutz und Abgrenzung geht. Sein Name ist "Programm", es geht darum den Mut zu entwickeln sich zu wehren, da wo es adäquat ist. Wer-Mut, ja, es braucht manchmal eine gehörige Portion Mut sich zu wehren, vor allem wenn wir gegen den gesellschaftlichen Konsens schwimmen. Sich zu wehren bedeutet jedoch nicht wild um sich zu schlagen, sondern sehr klar Grenzen zu setzen und diese gegebenenfalls zu verteidigen. So wie es die Tiere sehr wohl auch mit ihrem Territorium machen. Wusstet ihr z.B. das Rotkelchen sehr territorial sind und ihr Gebiet sehr aggressiv verteidigen? Aber ihr merkt schon, ich könnte tausende neue Türen aufmachen und so gehe ich brav zurück zum Wermut.
Wermut in der Räucherkunde: zur Stärkung der Ich-Kraft (funktionales Ego), zur Stärkung der Widerstandskraft bzw. Resilienz, zur Förderung der Präsenz und zur Stärkung der Abgrenzungsfähigkeit. Bitte beachtet: Wermut (wie alle Artemisien) ist absolut TABU in der Schwangerschaft, auch nicht als Räucherung. Außer in der Hand von Kundigen z.B. Hebammen, welche damit die Geburt anregen möchten oder die Ablösung der Nachgeburt. Kenne und achte auch deine Grenzen. Achtung und Achtsamkeit gehen Hand in Hand.
Ihr merkt schon, ein Wort wiederholt sich beim Wermut immer wieder: S T A E R K E
Er ist ein mächtiger Begleiter und aufgrund seines Thujon Gehaltes plädiere ich schon sehr für einen achtsamen Umgang mit ihm. Das darin enthaltene Thujon und Artemisin werden nicht von jedem gleichermaßen vertragen und einige reagieren zudem allergisch auf die Korbblütler (Asteraceae) Familie, zu welcher auch der Wermut gehört.
Er blüht ab ca. Juli bis September und das ist auch die beste Zeit ihn zu sammeln. Als mehrjährige Staude wird er euch jedes Jahr auf Neue beglücken und wenn ihr ihm eine Freude machten möchtet: wählt einen schön sonnigen und trockenen Standort mit Vollsonne bis Halbschatten. Zu viel Feuchtigkeit bekommt ihm nämlich überhaupt nicht. Und ermöglicht ihm einen Einzelstandort, er duldet nur ungern andere Pflanzen in unmittelbarer Nähe. Manche Pflanzen jedoch beschützt er vor Schädlingen, wie z.B. schwarze Johannisbeeren - isr das nicht wunderbar? Er hat also sehr ausgewählte Freunde, die er dann rundherum unterstützt und schützt. Das nenne ich eine Pflanzen-Freundschaft...
Trotz der geballten Bitterkraft in ihm staune ich immer wieder darüber, dass unsere Schnecken im heimischen (deutschen) Garten ihn mit einem Appetit verspeisen, dass ich nur noch offenen Mundes vor der geschundenen Pflanze da stehen kann. Ob sie auch die gesunden Bitterstoffe benötigen, wie wir Menschen? Ein Mysterium, aber er schlägt sich tapfer, unser Wermut. Ich verneige mich vor seiner Stärke und Standhaftigkeit.
Unsere Artemisia absinthium trägt viele wunderbare Namen, welche zugleich einen Hinweis auf seine Anwendungskräfte schenken. Seine Bitterkeit ist legendär und er wird deswegen Bitterhals oder Heilbitter genannt. Als "antiparasitäre" Pflanze trägt er den Namen "Wurmtod". Und aufgrund seiner Bitterstoffe wirkt er natürlich unglaublich stärkend auf den Verdauungstrakt und trägt daher den Namen Magenkraut.
Wermut wirkt also unter anderem wurmwidrig, leberanregend, gallewirksam, schweißtreibend, harntreibend und magenstärkend.
Ob nun als Tee, als Urtinktur oder als Gemmotherapeutikum - es gibt verschiedene Möglichkeiten der inneren Einnahme. Eines ist jedoch allen gemein: Wermut gehört sicherlich zu den Pflanzen, die uns nur kurze Etappen des Weges begleiten sollten und das möglichst in einer adäquaten Dosierung. Je potenter die Pflanze, desto weniger reicht aus für die innere Anwendung.
Unser Wermut stammt ursprünglich aus Sibirien und gehört zu den alten Schamanenpflanzen, wie auch der Beifuß (Artemisia vulgaris). Vielleicht ist das mit ein Grund, warum ich mich ihm so verbunden fühle als Heil(praktik)erin.