Der Kräuterboschen und der Frauendreißiger

Der Frauendreißiger (auch Dreißiger oder Marientage genannt), bezeichnet die Zeit zwischen dem 13. / 15. August und 13. / 15. September. Schon weit vor der Einflussnahme des Christentums legten in unserem Kulturraum traditionell die Frauen des Hauses den Kräutervorrat an und banden zu dieser Zeit Kräuterboschen bzw. Räucher-Bündel. Diese dienten nicht nur als Apotheke für die nass-kalte Jahreszeit, sondern wirk(t)en alleine durch ihre Präsenz kraftvoll, heilend, schützend und segnend. Der Kräuterboschen beinhaltet daher auch magische Aspekte. Die Form, die Anzahl der Kräuter, die Art und Weise wie der Abschluss gebunden wird (siehe Foto unten) - sie alle beinhalten magisch mystische Aspekte, die wir erforschen und wieder entdecken dürfen. Erforschen schreibe ich ganz bewusst, weil ich es für immens wichtig erachte das Gehörte und Gelernte in die eigene Erfahrung zu bringen, wirklich zu integrieren und nicht nur "blind" zu glauben und etwas zu tun weil "es jemand gesagt hat" oder "ich es irgendwo gelesen habe". Es braucht lediglich Freude am Lernen, Offenheit und die Bereitschaft sich auf Neues einzulassen.

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Es liegt daher an dir das von mir Geschriebene zu überprüfen und zu entdecken, ob Kräuterboschen tatsächlich mehr sind als "nur" Hausapotheken. Und das Entdecken / Erforschen geht nur über das Tun und Erfahren sowie kontinuierlich Vertiefen. Aus diesem Grund biete ich dieses Ritual in einem Seminar in kraftvoller (Frauen) Gemeinschaft an. Warum nur mit Frauen? Aus dem einfachen Grund, dass ich als Frau und Lehrende der Kräuterakademie gerne immer wieder geschützte heilsame Räume nur für Frauen erschaffe. Natürlich können Männer ebenso wunderbare und kraftvolle Kräuterboschen binden. Das ist selbstverständlich und steht absolut nicht zur Diskussion.

Diese und andere "heidnische" Bräuche wurden mit der Einflussnahme des Christentums in dieses "einverleibt", die Pflanzen die früher "heidnischen" Göttinnen entsprachen später Maria zugeschrieben. So spricht man heute oft von "Marienkräutern", die früher Göttinnen wie z.B. Freya zugeordnet waren. Es heißt, dass im Zeitraum des Frauendreißiger Maria die Erde auf besondere Weise segnet. Man nennt diese Zeit daher auch die Zeit der hohen Frau. Insbesondere im Alpenraum (und die Alpen sind hier quasi um die Ecke) ist der Frauendreißiger eine Periode inniger Marienverehrung geworden. Und manche von euch wissen, dass traditionell am 15.8. der Kräuterboschen in der Kirche gesegnet wird.

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Segnungs-Ritual zum Schluss unseres Seminars - in der Natur

Ich bin seit fast 25 Jahren im Zen-Buddhismus beheimatet. Das Ritual des Kräuterboschens praktiziere und lehre ich überkonfessionell. Dieses alte Brauchtum ist meines Erachtens absolut nicht an eine spezielle Kirche oder Religion gebunden, sondern gehört für mich in den Bereich der Natur-Spiritualität, wenn man dem unbedingt einen Namen geben möchte. Da ich nicht im christlichen Kontext erzogen worden bin, habe ich keine Reibungsfläche mit der Kirche oder mit dem Christentum per se. Ich weiß jedoch aus der Begleitung vieler Menschen in unzähligen Seminaren, dass viele sich mit der institutionalisierten Religion schwer tun oder sich sogar gänzlich abwenden. Zu schade, wenn man deswegen automatisch auch alte Traditionen und Bräuche verwirft. Diese sind ein immenser Schatz für uns Menschen und viele von ihnen stammen aus einer Zeit weit vor dem Christentum und sind tief in der Seele der Menschen verwurzelt. Sie stammen aus einer Zeit, wo die Menschen diese Art der Natur-Spiritualität auf ganz natürliche und selbstverständliche Weise lebten.

Ich lade dazu ein wieder zur Naturspiritualität zurückkehren, dem "spirit" der Bäume, der Pflanzen, der Erde, des Himmels und der unzähligen Geschöpfe zu lauschen. Es geht um Achtsamkeit. Um Hingabe. Es geht um etwas ganz Natürliches und Bodenständiges. Wir sind nicht nur Geist, wir sind auch Körper. Und mit diesem Körper/Geist streifen wir durch die Wiesen, atmen wir den Duft der Kräuter ein, fühlen wir die Sonne auf der Haut, tragen wir unseren Kräuterkorb und fühlen mit jedem Schritt den Pulsschlag und die Beschaffenheit der Erde. Wir binden die Kräuter auf eine bestimmte Weise um die Königskerze, welche oft die zentrale Achse im Kräuterboschen bildet. Wir segnen diesen Boschen auf natürliche und freudvolle Weise, sei es durch eine Räucherung, ein Lied, kraftvolle Gedanken - authentisch. Aus dem Herzen entspringend. Dafür braucht es für mich persönlich keine Kirche und Institution, aber wer das gerne in der Kirche zelebriert und im Christentum zu Hause ist: wunderbar!

Das Ritual des Kräuterboschen (bindens) ist für mich nicht ein "to do" auf der Jahreskreis-Liste, sowie überhaupt die Jahreskreisfeste für mich kein "to do" sind. Entweder ich pflege es von Herzen, oder ich lasse es. Die Jahreskreisfeste nähren meinen Körper und Geist, sie erfüllen mich mit Freude und Dankbarkeit und die achtsame Gemeinschaft im Kreis spendet Kraft und schenkt Halt. Das draußen sein in der Natur erinnert uns auf besondere Weise daran, dass wir immer in der Anbindung sind. Immer ein Teil des faszinierenden Netzwerk des Lebens. Des Mysteriums selbst. Wir fallen nie heraus. Nie. Wir vergessen es höchstens.

Der Kräuterboschen bekommt im Haus einen besonderen Platz. Meist im sogenannten "Herrgottswinkel". Er ist im Anschluss bis zum nächsten Frauendreißiger, präsent. Zumindestens pflegen wir das bei uns zu Hause so. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, erinnert er mich an die Fülle, Kraft und Lebensfreude des Sommers. Er ist nicht nur voller heilkräftiger Kräuter, sondern bündelt die Energie des Sommers und die Kraft der Gemeinschaft (sofern wir in Gemeinschaft gebunden haben).

Er erinnert mich so an den immerwährenden Kreislauf von Werden und Vergehen, an die Verbundenheit mit all unseren Mitgeschöpfen und an das Geschenk des Lebens. Denn in ihm schenkt sich uns das Leben selbst.

Tagesseminar in der Natur & im Tipi: 10.8.24 "Kräuterboschen & Frauendreißiger" - Details HIER

Kosan

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